Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.

Schiffen beim Einschiffen

Montag, 18. Juni 2007: 03.35 Uhr. Auf diese unmenschliche, vor allem für einen geübten Journalisten, Zeit war der Handywecker programmiert. Die Nervosität, die senile Bettflucht oder was auch immer, trieb mich rund 20 Minuten früher aus den Federn und zur pünktlichen Abfahrt um 4.00 Uhr. Auf Geheiss des privaten Automechanikers hatte ich schon am Vortag das Öl kontrolliert und nachgefüllt, das Scheibenwischerwasser ebenfalls aufgefüllt und quasi mit der Abfahrt den Reifendruck für die weite Reise ebenfalls bereit gemacht. Dass man dies im strömenden Regen auf der Fahrerseite nicht ganz trocken machen musste, war trotz der arg frühen Uhrzeit nur ein bedingtes Ärgernis.

Die Fahrt verlief jedoch nur bis zum ersten Tunnel nach dem Baregg im strömenden Regen; das Wetter passte sich alsbald der eigentlichen Jahreszeit an. Irgendwie ging es erstaunlich gut durch Deutschland, die einzige minimale Verzögerung war schliesslich dem vielleicht zu modernen Navigationssystem zu verdanken. Es meldete einen Stau und eine mögliche Umfahrung. Nun gut, es führte mich dann genau rechtzeitig am Ende des Staus wieder auf die Autobahn. Mein liebes Navi, eigentlich liebevoll Niggli-Luder genannt, so nie resp. Sony! Das ist de facto, als würde sich die Schweizer Vorzeige-Orientiererin auf der Karte einen geschickten Weg zum Posten zurecht legen, dann aber die flache Lichtung umlaufen und schliesslich dann doch vor dem Moor stehen.

So gesehen war das Verhalten bei der zweiten Staumeldung wesentlich cleverer. Entgegen der Empfehlung, dem Stau auszuweichen, drückte ich den „Ignorieren“-Button und wurde belohnt. Der Stau dauerte knapp zwei Minuten, war (natürlich) auf eine Baustelle zurückzuführen und verzögerte meine überfrühte Ankunft also kaum.

In Kiel war gerade Kieler Woche, wobei nicht gesichert ist, wie viel die Norddeutschen für den Kauf einer Woche, die erst noch mehr als sieben Tage dauert hingeblättert haben. Es muss viel sein, denn erstens ist der Hauptsponsor des Fests, BMW, durchaus prominent, und zweitens ist das Festgelände ziemlich langgestreckt. Obwohl mit einer Marge von vier Stunden am Kai eingetroffen, reichte diese viele Zeit (tönt nach schlechtem Deutsch, drückt aber aus, was ich sagen will) nicht aus, um durch das gesamte Gebiet zu schlurfen.

Direkt hinter dem Kai in jedem Fall funktionierte das Fest als völkerverbindende Massnahme, was in diesem Land auch zum heutigen Zeitpunkt in keinem Moment schaden kann. Jedes Land war mit einem Stand mit Esswaren oder sonstigem mehr oder weniger Traditionellem präsent – okay, fast jedes Land. Die Schweiz habe ich nicht gesichtet. Umso präsenter war dagegen BMW, das den kleinen Stadtweiher rundherum besetzte. Logisch, weil BMW dank dem Sponsoring des wenig erfolgreichen Oracle-Teams am America’s Cup – das heisst, eigentlich kam es gar nicht so weit, sondern scheiterte schon in der Qualifikation im Luois Vuitton Cop – natürlich mit dem Segeln verbunden ist und die Kieler Woche ursprünglich ein Segel-Event war. Also segeln ein paar Kinder in Jollen in diesem Tümpel um irgendwelche Bojen. Dahinter preist ein marktschreierischer Speaker die weiteren Attraktionen des Tages an. Und weil Bayrische Motorwerke und reiner Luftvortrieb dann doch nur bedingt etwas gemeinsam haben, stellte BMW natürlich auch seine motorgetrieben Aushängeschilder vor. In einem Zelt sass am man am Lenkrad eines BMW-Sauber-Formel-1-Wagens und brauste virtuell eine Strecke ab. Und daneben lockte der Traum jedes gut bestückten Mannes. Mit den immer beliebteren BMW- Offroadern, die in der Stadt in erster Linie unpraktisch sind und viel Platz und noch mehr Benzin verbrauchen, durfte man ein Fahrtraining über irgendwelche Hindernisse und eine hydraulische Schaukel absolvieren. Welch’ ein Abenteuer!

Zurück an den Kai, wo pünktlich zum Einschiffen heftiger Regen einsetzte. Nomen est omen. Gut geparkt, eroberte man möglichst schnell das Sonnendeck und wurde alsbald begleitet, da der Regen eben tatsächlich nur das Einschiffen begleitet hatte. Die dunklen Regenwolken verzogen sich, und aus den Löchern kamen all die Passagiere aus aller Herren Länder, im besonderen Deutschland und Holland. Und wohl hatten nur ganz, ganz wenige von ihnen noch beim Chef die Ferien beantragen müssen. Der nette Ostdeutsche klammerte sich an sein Fernglas und entdeckte wichtige Details wie ein Hochhaus im Hintergrund ohne Balkone, die Frau hatte einen Fotoapparat, den vielleicht noch Erich Honecker entwickelt hatte. Grosse Bewunderung hatten sie für die Villen der neureichen Kieler am Meeresufer. Und er stellte mit grossem Erstaunen und kleiner Entrüstung fest, dass amerikanische Militärschiffe vor Kiel geankert hatten. Merke: Die Amis verschwinden nicht mit dem Frieden und der Wiedervereinigung; das ruft sie zumeist erst auf den Plan. Ein schwedisches Pärchen versuchte einen Schiffsnamen zu entziffern; die Sehstärke hat mit der Zunahme des Alters eine gegenteilige Entwicklung genommen.

Ein Spektakel besonderer Güte ist natürlich das Buffet. Um den Betrag, den man zu entrichten hat resp. hatte, möglichst optimal zu amortisieren, müssen die Teller natürlich häufig und haufenweise gefüllt werden. Auch hier gibt es in der Regel leichte, lokale Unterschiede. Aber die Devise „Zeig mir deinen Teller, und ich sage dir, woher du kommst“ würde wohl auch zu einigen Fehleinschätzungen führen. Auch Leute aus Ländern mit eher sehr wenigen Erhebungen wissen wie man Berge schafft. Dass jedoch vieles schliesslich gar nicht verspiesen wird, ist für die Herrschaften wenig störend. Fröhlich und munter steht man längst mit einem neuen Teller erneut in der Schlange für den nächsten Gang oder auch schon den Dessert. Okay, ich hab mich am nicht ausschliesslich für Weinkenner gedachten Merlot vertan. Ein bisschen.

Songs des Tages:

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