Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.
Wiedereintritt in die Hochpreisinsel und Hitzeetappe
Mittwoch, 4. Juli 2007: Nur 4 km nach dem Verlassen von Gäddede, mit dem wir es jedoch nicht besonders eilig hatten. Im besonderen, als wir eigentlich schon bereit waren. Einer von uns zweien, und nicht Marco, hatte unglücklich den Autoschlüssel gnadenlos verhühnert und keine Ahnung wo dieser nun vor sich hin gackerte. Entsprechend wurde der fein säuberlich – oder zumindest effizient – gepackte Kofferraum auf die schnelle wieder entleert, bis das Teil (nein Geibi: nicht so eine) sich wieder hatte auffinden lassen. Es wurde jedoch noch weiter cunctiert, und zwar nicht wegen der Viel-Fil-Philosophie, auch wenn des Herrn Collins Soloauftritte weiterhin zu Phil sind und deshalb auf dem iPod nicht goutiert und weiter geskipt werden. Vielmehr (und nicht etwa Filmehr oder Phil Mehre) wurde vor der richtigen Abfahrt auch noch die Tankstelle, weil viel billiger hier als dort resp. nun aktuell dort als hier, und der Lebensmittelladen ICA aus dem gleichen Grund frequentiert.
Und weil es in Schweden so viel billiger ist, was unter anderem auf den für Esswaren deutlich tieferen Mehrwertsteuersatz zurückzuführen ist, um wieder einmal etwas wirklich Wissenswertes einzufügen, nehmen nicht wenige Norweger die Reise nach Gäddede in den ICA auf sich, um sich entsprechend mit allem Möglichem einzudecken. Nun ist es nicht so, dass jeder grenzüberwandernde Norsker dies auch tatsächlich per pedes und in guter physischer Form tut. Die Formen offenbaren sich an ihm durchaus dergestalt, dass sie auf der Waage deutliche Zeichen im übertragenen Sinn hinterlassen. Der Grand Canyon jedenfalls scheint ein Fürchlein zu sein, verglichen mit dem, was beim Betrachten des norwegischen Hinterteils beim Sitzen vor dem Laden aufscheint. Und wiederum andere, jedoch mutmasslich keine Einwanderer, waren ebenfalls nicht schlank und wohl auch seit längerem ohne körperlichen Wasserkontakt. Sie entledigten sich der gesammelten Pfandflaschen der gefühlten letzten fünf Jahre.
Alsbald also begleiteten uns dann wieder die weissen Strassenschilder, und freundlicherweise wies der Norweger beim Eintritt in sein Land darauf hin, dass das Abblendlicht zu jeder Zeit eingeschaltet sein muss. Dies ist ja beim Schweden extrem (oder gar: extrum) anders. Dafür wird knallhart verschwiegen, wie schnell man ausserorts genau fahren darf. In Schweden sind es 90 km/h; in Norwegen vermutete 80 km/h. Aber nur vermutete. Die Gegend zwischen Gäddede bis wieder Anzeichen von Zivilisation auftauchten, schien eigentlich prädestiniert für Elche. Doch trotz dieser nicht elchfreundlichen, sondern geradezu elchgefährdeten Umgebung zeigte sich keines dieser offensichtlich sehr sturen Viecher. Oder dann gibt es sie beim Norweger schlicht und ergreifend einfach nicht und er hat die Millionen von Warntafeln nur rein prophylaktisch aufgestellt.
Heute war eine reine Überführungsetappe und entsprach in Distanz und Profil in etwa dem, was die Organisatoren der Tour de France jeweils am 14. Juli (jawohl: 14 juillet) ansetzen, damit möglichst ein Einheimischer gewinnt. Für uns hiess das, dass für einmal der Speicherchip im Fotoapparat nicht sofort am Anschlag läuft, dass der Akku resp. die Batterien einen ruhigen Tag im Feld verbringen und dass vor allem viel gefahren wird. Als eigentlich einzige Sehenswürdigkeit des Tages steuerten wir den Bölerein an, wo einige Felszeichnungen zu bestaunen sind. Touristenfreundlich mit Farbe aufgepeppt und mit Kässeli am Anfang des Fusswegs.
Besonders berühmt sind diese Felsritzungen wegen des Böleman, dem Böllenmann. Dieser heisst natürlich nicht so, weil er einen mit einem Böllen (also Ball) kickt oder weil er der ursprüngliche Erfinder des „Ziebelemärit“ ist. Vielmehr ist er die Antwort, warum uns all die Aamodts, Kjusers und Svindals regelmässig um die Ohren fahren. Es ist ein Mann auf einer Art Ski. Und das schon vor mehreren Tausend Jahren; da ist ja noch nicht einmal Paul Accola schon auf den Ski gestanden.
Und apropos Wintersport; dieser ist gerade sehr unaktuell. Es ist beinahe schon tropisch hier im Norden. 29 Grad zeigte das Aussenthermometer des Fiat Stilo, und innen arbeitete die Klimaanlage auf Höchsttouren. Und die 29 Grad wurden nicht etwa nach der Standzeit in der Sonne von Böle gemessen, da waren es gar noch mehr gewesen. Ja, da war es sogar so heiss, dass sogar das Glacé im Tiefkühler schmolz. Okay, vielleicht hatte die gute Verkäuferin auch nur die erste und wichtigste Lektion im Migros-Tiefkühler-Füll-Kurs „Wie hoch darf ich den Tiefkühler füllen?“ verpasst. Die Antwort übrigens: Bis zur roten Markierung.
Gefahr droht bei so einer Reise, die überhaupt nichts mit Abenteuer zu tun hat, natürlich vor allem auf der Strasse. Deshalb ist die Antizipation und das Vorausschauen gerade auf des Norwegers geschwungenen Strassen von enormer Wichtigkeit. Es ist quasi das A und O, um sicher über die Distanzen zu kommen. Aber zum Glück war der sehr sichere Pilot (objektive Eigeneinschätzung) früher aktiver Velofahrer. So hält ihn das EPO noch immer fleissig fit, und zum anderen war die Antizipation auf dem Zweirad natürlich noch A und Ö-ner als im Auto.
Nun ist es durchaus nicht immer nur spannend, sich während Stunden im Wagen durch sehr bewaldetes und sehr unbewohntes Gebiet zu kämpfen. Da ist der iPod und sein zufälliger Musikmix natürlich sehr bis äusserst willkommen. Weil sie es nur selten oder bisher sogar gar nie in die Rubrik Songs des Tages schafften, seien einige Interpreten hier speziell erwähnt. So wollen wir Lars Winnerbäck, einen quasi Cantautore aus Linköping, erwähnen, der uns mit seinen Melodien immer wieder Freude bereitet, dann sind da aus dem Land der Elche auch noch Kent oder Gyllene Tider. Freude spenden aber nicht nur die Musikanten aus dem hohen Norden; so soll die britische Band Pink Floyd höchstlobend erwähnt sein. Sie bereitet höchste Froyd!
Weniger „de Pläsche“ war die Suche nach einer Übernachtungstelle beim Norweger. Die ersten Zeltplätze waren explizite Dauerstandplätze für ziehbare und bewohnbare Anhänger; beim nächsten wurde um 19.15 Uhr an der geschlossenen Rezeptionstüre darauf hingewiesen, dass keine Hütten mehr frei sind, und der vierte angesteuerte Zeltplatz löste sich vor Ort quasi in Nichts auf. Auf die eigentlich gewünschte Hütte mussten wir auch beim Vormstader verzichten, doch immerhin hatte dieser in seiner vor allem von Fischern besuchten Zeltplatz noch ein Plätzchen für unseren Stilo und auch sogar unser – ähm, Marcos – Zelt. Und apropos Fischer. Es sei noch darauf verwiesen, was wir auf einem deutschen VW-Bus erspäht hatten: „Skandinavien sehen, heisst nicht nur angeln gehen.“ Als ob ich das je behauptet hätte. Wir grillieren auch heute keine dieser See- und Bachungeheuer, sondern extrem nur tote Tiere, die ihr Dasein auf dem Land gefristet hatten. Punkt. Schluss. Die erste Whisky-Flasche ist jetzt leer. Er(n)st, nicht schon. Bitte sehr!
Songs des Tages:
- Toto Cotungno „L’italiano vero“, weil der Song im Auto schon kurz nach der Abfahrt für einen Stimmungsschub sorgte und weil es fast noch wärmer als in Italien ist und weil wir die Italiener ja schon immer so sehr mochten. Gell Gabsiiiiiiiiii.
- Dire Straits „Money for Nothing“ (in der der Live-Version von Mark Knopfler solo), weil der Norweger sich nicht zu schade wäre, auch für Nichts Geld zu verlangen.
- Supertramp „Asylum“, weil dieses Lied gar den Scheibenwischer trotz eitel Sonnenschein zum Mittanzen anregte.
- Marius-Müller Westernhagen (oder wo auch immer dieser Strich nun sein muss) "Dicke", weil er so schön zu allen Dicken im ICA passte.
Zahlen des Tages:
- Distanz: 438,8 km
- Durchschnitt: 66 km/h
- Verbrauch: 6,0 l/100 km
- Fahrzeit: 6:41 h
- Tageshöchsttemperatur (war schon immer mein Lieblingswort): 29°
©2007 – Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
Saschas und Marcos Jubiläumsreise. Schreib uns:
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