Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.

Verschiedene Wasch- und Ladearten

Samstag, 23. Juni 2007: Da war sie wieder, die senile Bettflucht. Schon um 8.30 Uhr riss sie mich wild entschlossen aus der Luftmatratze und mangels besserer Alternativen vor den Computer, weil meine Quasi-Mitbewohner von selbigem Phänomen – auch da noch jünger, wenn auch nicht viel – durchaus nicht betroffen waren. Jedenfalls gingen mir die Ideen, was tun, nach der Lektüre von Blick, Tages-Anzeiger und meinem Lieblings-Blogger Walter De Gregorio von der Weltwoche (http://www.weltwoche.ch/nati) bald wieder aus. Also nichts wie zurück ins Bett, da mir ohnehin schon fast die Zehen abfroren. Als erste Massnahme hatte ich die Balkontüre wieder geschlossen, doch reichte das zur Wiedererwärmung der armen kleinen Gliedmassen nicht aus. Und ich wollte dann ja doch nicht wie der südtirolische Bergsteiger-Guru Reinhold Messner mit verminderten Zehenzahl enden. Also übermannte mich der Schlaf dann doch noch einmal für knapp anderthalb Stunden.

Man fühlt sich ein wenig wie eine wichtige Gipfelexpedition vor dem Einstieg in den Berg. Das Wetter lässt den Aufbruch noch nicht zu, es beginnt das grosse Warten und Packen. Die Gastgeber des Basiscamps beschäftigten noch einmal ihre Waschmaschine, weil der Vorabend doch gewisse üble Spuren der Übelkeit auf dem Bettlaken sowie rote Ketchupflecken als bleibendes Zeichen der Übermotivation auf den Jeans des Gastes hinterlassen hatte. Beidem wurde energisch der Kampf angesagt. Die wichtigsten elektrischen Geräte werden für den Trip noch einmal rappelvoll mit Stromkäfern aufmunitioniert. Man weiss ja nie. Die Wetterprognosen wurden auf verschiedenen Seiten konsultiert und miteinander verglichen.

Intensives Kartenstudium war jedoch schon beim Frühstück, das eigentlich ein Spätstück war, gefragt. Es wurde eruiert, welches der nördlichste Punkt ist, den Ylva je in ihrem Leben erreicht hat. Dazu war auch ein Telefon mit ihrem Papa notwendig, was wiederum selbst bei einer einfachen Frage nicht von kurzer Dauer sein kann. Die Antwort schliesslich ist rasch gegeben: Auf der Höhe von Timrå wird die magische Nordgrenze unserer Mitfahrerin quasi überschritten resp. überfahren.

Die Vorräte wurde kontrolliert und die beiden Expeditionen (also Sascha sowie Marco und Ylva) legten ihren wichtigsten Utensilien in diesem Bereich zusammen. Platzoptimierung heisst die Devise. Also ist das oberste Gebot ja der Flexibilitäts-Doktrin verpflichtet. Deshalb wurde auch das erste Etappenziel noch nicht fixiert; dies hatte sich schon auf dem Anstieg zum Einstieg (um die Fachbegriffe aus der Welt der Bergsteiger gleich doppelt einzuwerfen) sehr bewährt.

Die Anspannung vor dem grossen Tag, der heute wegen misslichen Witterungsbedingungen nicht war, steigt fast von Minute zu Minute. Werden wir den grossen Herausforderungen des weiten und langen Nordens gewachsen sein? Wie setzen uns die ewigen Tage und die dauernden Mücken zu? Hält mein Fiat die Rallye-artigen Strapazen aus? Vermögen wir allen Elchen und vor allem Rentieren auf der Strasse rechtzeitig ausweichen oder kommt es zur fatalen Kollision, die die Reise vor dem Erreichen des Gipfels beendet? Das sind alles mögliche Fragen, die uns jedoch kaum beschäftigen, denn dies ist ja keine Abenteuerreise.

Gleichwohl wurden natürlich nicht nur die Batterien und Akkumulatoren der entsprechenden Gerätschaften aufgeladen, auch dem menschlichen Körper wurde noch einmal eine erholsame Auszeit gegönnt, um aufzutanken. Das geschah auf unterschiedlichste Weise. Ylva tat dies mit dem Besuch der Verwandtschaft, Marco mit Packen und ich mit dem äusserst beliebten Hochlagern der Beine. Dies schien mir aufgrund der langjährigen Erfahrung die wirksamste Methode zu sein. Natürlich kann dies vor dem Abreisetag, quasi meinem persönlich zweiten, nicht die ausschliessliche Tätigkeit sein. Also wetzt man die Treppe rauf und runter, um die Packmöglichkeiten im Auto, die erst mit einer Person schon ziemlich ausgeschöpft geschienen hatten, soweit zu optimieren, dass das Gepäck von drei Personen – davon eine Frau! – Platz findet. Es sei hier an den Spruch „Die Masse expandiert im Vakuum“ erinnert. Das Wunder konnte jedenfalls vollbracht werden.

Dies lässt nun wiederum Raum für einen Exkurs der ganz anderen Art. Schon früh morgens, also knapp vor Mittag, berieselte einem Eurosport mit Beachvolleyball. Die Schweizer Heuscher/Heyer – letzterer mit Vornamen Sascha und aus Homrechtikon (Anmerkung eines Halbheimweh-Hombrechtikers) – verloren glatt in zwei Sätzen gegen irgendwelche Deutsche, die offenbar Europameister sind. Emotional riss das weder den schwedischen Kommentator noch einem selber vom Sessel resp. Sofa. Viel emotionaler war Marco von der Mitteilung seines Kabelbetreibers betroffen, dass dieser im September Eurosport aus dem Sortiment streicht und durch TV4 Sport ersetzt. Ich sage, hier werden wenigstens wegfallende Sender durch andere ersetzt; in der Schweiz ist man sich da andere Praktiken gewohnt. Da wird ja nur noch gestrichen.

Grössere Aktivitäten waren erst nach dem Abendessen, das dem versuchten Verzehr der Reste des Vortages entsprach, wieder möglich. So gestärkt liess ich mich zum grossen Abwasch hinreissen, derweil andere wiederum an ihren Reisevorbereitungen arbeiteten. Und noch immer gibt es der Möglichkeiten viele, wo wir unser erstes Biwak aufschlagen könnten. Umeå halbhoch im Norden und noch deutlich des Polarkreis’ ist jedoch ganz hoch im Kurs, soviel sei an dieser Stelle schon einmal verraten. Mit Abstand die spektakulärste Aktion war gleichwohl der Erinnerungsblitz von Ylva, dass ihr Velo noch beim Bahnhof steht. Dies rief sämtliche männlichen Reiseteilnehmer auf den Plan und aus dem Haus. Der Fiat Stilo durfte trotz Ruhetag noch 6,1 km einrollen für die nächsten schweren Etappen, und Ylvas Velo ist auch in den nächsten Tagen und Wochen an einem sicheren Ort. Auch dies gibt für die anstehende, anspruchsvolle, weite, spannende, abwechslungsreiche Reise natürlich ein beruhigendes Gefühl.

Songs des Tages:

©2007 Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
Saschas und Marcos Jubiläumsreise. Schreib uns: .