Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.

Von Kirchen, sparsamen Schwaben und fähren Preisen

Sonntag, 8. Juli 2007: Jetzt hat er uns doch noch eingeholt. Lange konnten wir ihm entfliehen, über Tausende von Kilometern sogar. Doch nun ist es passiert, nachdem der Stilo gleichsam einem Pflug gewirkt zu haben schien. Immer wieder hatte es bedrohlich ausgesehen, und immer wieder hatte sich alles in Wonne aufgelöst. Nun ist es eben passiert. Der Regen ist da. Weise war unser Entschluss trotz verdächtig freundlich scheinendem Himmel die Debatte um die Viel-Fil-Philosophie auszusetzen und auch nicht auf die Karte Zelt zu setzen, sondern direkt am Sognefjord uns in eine Hütte zu akzeptablen Konditionen einzuquartieren. 390 norwegisches Geldeinheiten sind für wahr einen fairer Preis. Weniger fähr scheinen da die Preise für die unzähligen Bootsüberfahrten, die im Verlaufe eines Tages in der Region zu bewältigen sind.

Die erste Bootsfahrt des Tages wartete nach bereits 400 Metern auf uns, natürlich mit einer netten Wartezeit verbunden, weil man es für nicht nötig befunden hatte, die Abfahrtszeiten der Fähre (alle Stunde) im voraus zu kontrollieren. Also hiess es, 45 Minuten geduldig hinter einem deutschen Car, von dem noch mehr die Rede sein wird, sowie einem unbedeutenden Personenwagen, von dem überhaupt nicht mehr die Rede sein wird, zu warten. Schon zuvor hatten wir weiter beobachtet, wie die britischen Nachbarn akribisch genau alles – inklusive Hund – in ihren Landrover versorgten, wir die Holländer – andere als gestern beim Abwasch – ihren Aufbruch nicht ohne Nebengeräusch tätigten und wie schliesslich die unmittelbaren deutschen Nachbarn eine ganz eigene Art der Arbeitsteilung hatten. Sie machte eigentlich ausschliesslich alles, er war interessierter und kommentierender Zuschauer. Da sie sich später auch als Chauffeurin entpuppte, stellen sich verschiedene Möglichkeiten. Erstens: Sie ist tatsächlich seine Frau, und er demzufolge stinkreich und ein ein 70-jähriger Viagra-Hecht; zweitens ist sie seine umsorgende Frau; drittens gleich wie zweitens einfach mit Tochter und ohne Bumsen. Oder Viertens ist sie die Sekretärin, die den alten Sack auf seiner Ferienreise begleitet. Andere Varianten und Vorschläge sind gerne willkommen.

Und apropos alte Säcke: Die waren eben auch auf bereits erwähntem Bus aus dem schwäbischen Raum zahlreich vorhanden. Durchaus gut ausgerüstet mit neuen Wanderschuhen und den verhältnismässig modernen Hosen, die durch geschicktes Ziehen an den Reissverschlüssen reissend schnell zu Shorts werden. Weil die Mittagszeit nahte, hatte der umsichtige Chauffeur vor dem Car einen kleinen gebissfreundlichen Happen bereitgestellt, und die nette Norwegerin verkaufte selbstverständlich auch hier ihre Erdbeeren und brachte sich auch nicht schlecht an den Rentner.

Unser erstes Ziel hiess natürlich Vik mit der Stabkirche Hopperstad. Warum es hier Hopperstad heisst, merkt man bei Rundgang durch den Friedhof sehr schnell. Hier heissen noch mehr Leute Hopperstad als in Einsiedeln Menschen Kälin. Weil der Car nach dem Verlassen der Fähre erst alle Schäfchen wieder einsammeln musste; hatten wir bei der Kirche einen schönen und entscheidenden Vorsprung – so zumindest war es unser Plan. Den setzten wir auch eiskalt um. Bei der Kirche zahlten wir ohne Murren den verlangten Obolus und besichtigten das Gotteshaus, was das Zeug hielt. Marco entdeckte tatsächlich an einem der Stäbe eine der angekündigten Runeninschriften und war glücklich. Dann kam der Münsingen-Car und leerte seine Fracht aus. Doch da machte die Stabkirchenschutzunderhaltungsvereinigung die Rechnung ohne den Schwaben, der ja nicht gerade dafür bekannt ist, mit seinem Geld unhaushälterisch umzugehen. Es sei nur „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ erwähnt. Der flinke Wärter holte zwei Senioren, die sich der Kirche unbezahlt und deshalb illegal näherten, zurück; die verzichteten auf die Investition und knipsten sich schnell wieder in den Bus, der noch schneller wieder weg war, als er gekommen war.

Während die Hopperstader Stabkirche auch wegen ihres prunkvollen Äusseren natürlich zum Touristenpflichtprogramm gehört und sich in jeder Photosammlung von Norwegen schmuck darstellt, fristet, ihre kleine Schwester in Undredal das Dasein eines Mauerblümchens. Es ist die kleinste Stabkirche der Welt, wobei es von dieser Art ausserhalb Norwegens ohnehin kaum welche gibt. Der Eintritt kostete zwar stolze 40 Kronen, was uns erst reichlich überteuert vorkam, doch dann löste sich der Kirchenwart von seiner blonden Schönheit und erzählte in breitestem Nynorsk, spannende Details über das Kirchlein. Er zeigte zum Beispiel an der Decke auf einen Engel mit Ti… ähm… Brüsten, was doch ziemlich einmalig ist. Vielleicht sei der Künstler gerade inspiriert gewesen, meinte er. Und so rühren die Tulpen an den Wänden von den einst holländischen Besitzern wie auch der Kronleuchter mit den fünf Hirschköpfen. Also bitte keine Fehlurteile, wenn es in der norwegischen Version „Hjorthode“ heisst...

Neben Stabkirchen, mit jener von Kaupanger zum Abschluss des Tages waren es deren drei, führte die Strecke über zahlreiche Pässe und abenteuerliche Bergstrassen. Besonders geil natürlich die Stalheimskleiva: Rund ein Dutzend Kurven und 18 Prozent Gefälle. Da jubiliert natürlich das Herz, wenn man denn nicht gerade hinter einem Holländer herzuschleichen hat. Noch schlimmer allerdings die Franzosen im Wohnmobil und erst noch im Doppelpack. Das Überholmanöver des ersten Freundes der Verspeisung von Froschschenkeln und Schnecken war zwar nicht gleich elegant wie der gestrige Viererpack, aber wurde einstimmig zum Manöver des Tages gekürt.

Neben den sich in gleicher Richtung bewegenden Hindernissen fahrender Art, muss man in Norwegen auch immer wieder mit anderen, sich mehr auf vier Beinen bewegenden Lebewesen auseinandersetzen. In der Region, in der wir zur Zeit unsere Bergetappen der feinsten Art absolvieren, sind es im besonderen Schafe. Wobei eine scheinbare Augenfälligkeit die suboptimale Koordination zwischen dem wahren Vorkommen der gewollten Viecher und der zahlreichen aufgestellten Warnschilder vor eben diesen ist. Nicht selten begegnet man dem späteren Leckerbissen unverhofft, derweil während Kilometern nach einem Warnschild, übrigens ganz herzig mit Mami und Klein-Lamm, kein einziges Schaf weit und breit zu sehen ist. Aber gleiches konnten wir auch schon im Zusammenhang mit dem Elchen, Rentieren und Hirschen, die auf den Tafeln zum hocheleganten Sprung ansetzen, konstatieren. Und von diesen gibt es viele Schilder.

Wir kritisierten in den letzten Tagen den Norweger vielleicht zuweilen etwas hart, vielleicht je nach Empfinden gar unfair. Wir sind heute noch einmal kritisch, was den Fährenpreis der Kurzfähre vor Kaupanger betrifft. Der ist höchst unfair! Sonst sind wir aber voll des Lobes für seine schönen Holzkirchen, für den längsten Strassentunnel der Welt, der gratis ist und uns einen Grossteil der Wohnunmobile und Wohnwagen auf dem Pass zwischen Aurdal und Lärdal vom Hals und der Strasse hielt. Kostenfrei ist auch die Benützung des Aussichtsstegs auf dieser Passstrasse, der jeden Höhenängstlichen in Panik ausbrechen lässt. Und vor allem sticht Steg auch die Glasplattform im Grand Canyon aus, weil einfach preiswerter und vor allem auch kein Etikettenschwindel.

Zum Schluss seinen noch einige Selbstverständlichkeiten erwähnt. Wir grillierten auch heute, da dies gestern unerwähnt geblieben war. Endlich konnte der Mini-Tischtennis-Tisch wieder eingesetzt werden – zum ersten Indoor-Duell. Es wird nicht richtig dunkel (wie das überhaupt aus?). In Norwegen sind am Sonntag die Läden extrem nicht geöffnet, was vor allem für den Schweden erprobten Mitreisenden zum die letzten Haare ausreissen ist. Selbstverständlich kletterte auch heute das Thermometer deutlich über die 20-Grad-Marke, fiel allerdings auch tief. Denn das Durchfahren der Berge bedeutet auch immer ein Grüezi-Sagen an den Winter. So betrug der Tiefstwert auf 1300 Metern zwischen zwei meterhohen Schneemauern gerade noch 10 Grad. Brrrrrrr. Gute Nacht.

Song des Tages:

Zahlen des Tages:

©2007 Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
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