Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.
Bei Anja und Ingemar zu Hause
Montag, 2. Juli 2007: Ich bin auch eine Skination. Das kann ich selbst als Vertreter der Viel-Fil-Philosophie guten Gewissens jetzt behaupten. Wir sind nämlich in Tärnaby untergekommen, einem Zeltplatz mit Hütten, wobei letzteres gewählt wurde. Wer jetzt Tärnaby hört, und das Hirn als einzige Reaktion ein blosses „Häää?“ ausspuckt, dem sei gesagt, dass Anja Pärson und Ingemar Stenmark zwei der besten Skifahrer aller Zeiten und Länder genau von hier, diesem eigentlich munzig kleinen Ort irgendwo in der Mitte von Schweden, eher etwas nördlich, stammen.
In Ermangelung von Schnee und eigentlich auch tauglichen Hügeln hielten wir uns ans Tischtennis, diesmal in richtiger Grösse und dafür stundenlang und sogar ohne Wind aber mit Zählen. Es gab jeweils auch einen Sieger, zweimal diese, andere Mal andere. Mehr sei dazu gar nicht gesagt, nur noch dies. Es war durchaus lustig. Doch liegen ja zwischen Rognan und Tärnaby ja mehrere Kilometer, oder Mil, wie der Skandinavier angesichts der grossen Distanzen jeweils eine 10-km-Einheit bezeichnet, da sind einige Sehenswürdigkeiten und eine Landesgrenze. Letztere wird von den Kennern jedoch nur die Farbänderung der Strassenschilder und des Mittelstrichs realisiert.
Wir meinten ja, Rognan sei ein kleiner netter, aber grundsätzlich eher verschlafener, vergessener Fleck. Doch der Ort ist modern und langsam aber sicher auf den grossen Touristenstrom vorbereitet. Hoch oben auf einem Hügel prangt in hollywoodscher Manier „Alt for Rognan“, und das haben eine Bürger des Ortes in einer Kampagne durchaus wörtlich genommen und posieren nun nackig neben dem Slogan. Dieser ist per Fahne übrigens sogar am Polarkreis präsent. Doch bis dahin verläuft die Strecke auf der E6 sehr komisch und verwirrlich. Man hat das Gefühl, man fahre stets leicht abwärts, der Fluss jedoch, der parallel zur Strasse verläuft, flisst genau in die andere Richtung – also den Berg hoch. Ich habe angehalten, bin ausgestiegen, habs fotografiert und noch immer nicht richtig begriffen.
Damit wären einige Gedanken und Beobachtungen zum norwegischen Wirbel am Polarkreis zu erwähnen. Wie schon erwähnt, hält es der Schwede arg bescheiden und begnügt sich im Prinzip mit einer Informationstafel. Das reicht dem Norweger bei weitem nicht! Wo man Geld verdienen kann, da ist ein Einheimischer sofort zur Stelle. Man munkelt ja, dass die norwegischen 1-Kronen- und 5-Kronen-Münze aus lauter Geiz und Reduktion des Warenwerts in der Mitte ein Loch haben. Das kleine Museum in jedem Fall, das auf 66°33’ eingerichtet ist und unter anderem einen ausgestopften Eisbär als Exponat hat, kostet 35 Kronen Eintritt. Dazu gibt es einen grossen Shop, in dem man sehr vieles und vor allem Ramsch kaufen kann. Nicht zu Schleuderpreisen übrigens.
Dafür verschweigt die norwegische Informationskampagne, dass sich der Polarkreis jedes Jahr ein wenig verschiebt. Wohl, weil er dann ja die Einkommensgrundlage zumindest eingeschränkt würde. Ebenfalls an diesem wenig schmucken Ort haben eifrige Besucher hinter dem Museum viele Steinmanndli aufgerichtet, obwohl oder gerade weil kurz davor eigentlich ein Schild genau dies verbieten würde. Doch dieses Schild ist so überflüssig wie Birken pflanzen im Norden. Offiziell erlaubt ist derweil die Gedenkstätte für die jugoslawischen Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs unter deutscher Führerung hier arbeiten musste. Die Stätte wird vor allem von osteuropäischen Mitbürgern gewürdigt, ansonsten geht es ihr so wie dem normalen Jugo in Mitteleuropa. Geduldet. Und natürlich würdigt auch der Pole den nach ihm benannten Ort; nur was bitte sehr ist ein „arkreis“?
Eigentlich war ja auch noch ein Trip zum Gletscher Svartisen vorgesehen resp. spielte in den Überlegungen zur Tagesgestaltung eine entscheidende Rolle. Leider erwies sich die Information, dass das Boot immer zur vollen Stunde über den See setzt und einem in die Nähe des zweitgrössten Gletschers des Landes bringt, als grundlegend falsch. Um 14.10 Uhr angekommen, lernten wir rasch, dass das Schiff nur alle zwei Stunden fährt – das nächste Mal um 16 Uhr. Bei Kaffe und Kurve mit Brot (eingedeutscht für Korv med bröd, was wieder nichts anderes als ein Wienerli mit einem Brötli ist) und Betrachtung der Postkarten drängte sich als Alternativausflug die Grönligrotte auf.
Hier werden die Führung tatsächlich immer zur vollen Stunden begonnen, wie wir um 15.05 Uhr lernten. Doch bitte keine Häme oder Schadenfreude, denn hier nach einer veritablen Minipassstrasse herrscht keine Hektik. Erstens waren sowieso erst ein holländisches Paar (er mit Lederjacke und schnellem Porsche, sie mit eleganten Esprit-Schuhen) sowie ein deutschen Paar mit den guten alten Gummistiefel bereit, und zweitens war letzteres der jugendliche Führer noch nicht. Als stiegen wir zu sechst in die Höhle mit Wasserfall und waren beeindruckt. Dann folgte eben der Grenzübertritt und die Huldigung mit dem Anjabacken und Ingemarbacken in Tärnaby. Der Rest der Geschichte ist je bereits bekannt.
Songs des Tages:
- Berlin „Take my Breath Away“, weil der Film Top Gun schöne Jugenderinnerungen weckt und weil Tom Cruise damals noch nicht auf Kriegsfuss mit Hugo Stamm stand.
- Ryan Paris „Dolce Vita“, weil die Achtzigerjahre unsere Jugendjahre waren und wir jetzt Dolce Vita haben.
Zahlen des Tages:
- Distanz: 320,2 km
- Durchschnitt: 72 km/h
- Verbrauch: 6,6 l/100 km
- Fahrzeit: 4:25 h
©2007 – Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
Saschas und Marcos Jubiläumsreise. Schreib uns:
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