Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.
Von Schnellem, Verpasstem und Fehlendem und wie man einen Schiff setzt
Mittwoch, 20. Juni 2007: Nachdem Lidköping am Abend den Eindruck einer ziemlich verlassenen Stadt in der Prärie hinterlassen hatte, herrschte am Morgen buntes Treiben. Die Jugendlichen hingen zwar immer noch auf den Parkbänken vor dem Rathaus herum, doch auf dem grossen Platz, dem neuen Platz, hatte sich ein grosser Markt installiert, der wie immer neben viel frischem Gemüse und Obst auch vor allem viel weniger Brauchbares feilbot. Nun war und ist Lidköping keine Touristen-Metropole und wird es mit Sicherheit auch nie werden, deshalb nahm die weiteren touristischen Ziele des Tages ins Visier.
Als erstes führte mich der Weg nach Skara, wo der Dom resp. seine beiden immens hohen Türme schon von weit her sichtbar sind. Der Ort ist überaus gepflegt und so sauber, dass man fast vermutete, er sei ganz neu hingestellt worden. Ist er nicht, allein der Dom hat schon einige Jahre auf dem Buckel; was auch gerade einer der Guides seiner Reisegruppe offenbar zum Abschluss einer Führung erklärt hatte (nehme ich an). Sein Einsatz wurde mit grossem Applaus bedankt, wie man ihn sonst nur von aufatmenden Pauschal-Touristen im Charter-Flugzeug nach der Landung hört. Die Reisegruppe verzog sich in den Reisecar und der Dom hatte wieder seine Ruhe.
Irgendwie sind die Schweden noch nicht resolut auf den Touristenstrom eingestellt, zumindest an gewissen Orten. Die Klosterkirche in Varnhem ist mit Bestimmtheit ein solcher Ort. Zwar hat es eine schöne Orientierungstafel, auf der auch allfällige Eintrittspreise stehen, das übliche Café, nur fehlte irgendwie der Schalter, wo man die 40 Kronen Eintritt auch hätte bezahlen müssen. Können hätte man vermutlich im Café sollen. Die Varhemer sind im Moment ohnehin damit beschäftigt, im kleinen Hügel hinter den Klosterruinen eine weitere Kirche aus dem frühen Mittelalter auszugraben – oder zumindest, was von ihr noch übrig geblieben ist. Nach komplettierter Runde verzichtete ich dann wenigsten fairerweise auf den Besuch der Toilette, obwohl die Blase die maximale Füllmenge mindestens erreicht hatte.
Entlasten konnte ich mein schwer gefülltest Organ erst bei der Schiffssetzung (auch hier gilt nomen est omen: einen Schiff setzen) von Askeberga. Eine Schautafel erzählt stolz, dass man vor der zweitgrössten Schiffssetzung des Landes, nach jener von Kåseberga, stehe, dass die einzelnen Steine soundsoviele Tonnen wiegen und dass sie soundsoalt ist. Die Anfahrt erfolgt übrigens über einen unbefestigten Weg, was wiederum den Autoliebhaber, der seinen Liebling am liebsten täglich putzt und pützelt, rasend machen würde. Rasen ist aber auf diesen Strässchen eine sehr schlechte Idee.
Eine schlechte Idee ist der Besuch der Festung von Karlsborg zwar nicht direkt, man muss aber doch ordentlich Zeit und Geduld einkalkulieren. Hatte ich nicht. Vor allem nicht letzteres. Der Kurzbesuch der Festung, die heute vom Militär genutzt wird (jaja, das macht das Ganze nicht einfacher), führte auf einen der grossen, dicken, grassbewachsenen Wälle. Ein Tunnel führt den Besucher durch diesen meterbreiten Wall – egal ob per pedes oder fahrend. Und weil im Militär alles ein bisschen geregelter und geordneter zu verlaufen hat, steht vor jeder Seite des Tunnels eine Ampel für den motorisierten Verkehr als auch für die Verkehrsteilnehmer, die sich aus eigenem Antrieb fortbewegen, also Fussgänger und Velofahrer. Positiv sei jedoch vermerkt, dass die Toilettenanlage gratis zu benützen war, was mir mit viel Druck und sehr wenig Münzen doch ziemlich entgegenkam.
Am schönsten ist Autofahren in Schweden auf irgendwelchen kaum benutzten Nebenhauptstrassen. Zwar darf man höchstens 70 km/h fahren, doch das stört kaum, spart Benzin, das hier ähnlich teuer ist wie anderer Sprit, doch ist man zumeist für sich alleine und kann entsprechend die weiten Felder etwas mehr oder wie Wälder, durch die man fährt, etwas weniger geniessen. Und es ist ohnehin ratsam sich ans Tempolimit zu halten. Die kleinste Busse für das Übertreten der Geschwindigkeit beträgt in Schweden 1500 Kronen (man teile durch fünf und erhalte den genäherten Betrag in Schweizer Franken). Ausserdem stehen genügend dieser festinstallierten Radarfallen entlang den Strassen. Diese sind zwar von weit her sichtbar, aber Schnellfahrern und Blochern fehlt ja häufig der Weitblick.
Auf einer solchen Hauptnebenstrasse kommt man unter anderem zum See Undan, an welchem eine schöne kleine Holzkirche steht. Die Skagen Kapelle kann zwar nicht als historisches Gebäude bezeichnet werden, da sie erst in diesem Jahrtausend erst gebaut wurde. An ihrer Stelle stand jedoch einst eine Stabkirche, und das jüngste Modell wurde in dieser Tradition errichtet. Und obwohl das Kirchlein scheinbar verloren mitten irgendwo im Wald steht, hat es Gesellschaft von zwei Nebengebäuden, wo offenbar Ferienkurse oder ähnliches dieser Art stattfinden. Jedenfalls vergnügte sich eine Schar Jugendlicher daneben auf einem Volleyballfeld.
Der Norden ist äusserst berühmt – wie schon erwähnt – für seine Überbleibsel aus früherer Zeit. Und auf diese weist man auch fast überall hin. So geschehen auch mit einem Gräberfeld in der Nähe von Kumla. Irgendwo war mit einem Pfeil nach rechts angezeigt „Gravfält“, was unmissverständlich den Weg wies. Dazu wurde auf dem Strassenschild der Begleithinweis gegeben, dass es noch rund ein Kilometer bis dahin sei. Spätestens nach drei Kilometern und einer fast überfahrenen Blindschleiche oder sonstigen Schlange fragte sich der Lenker irritiert, wo er die nächste Abzweigung übersehen hat. Rechtsumkehrt resp. genau gesagt linksumkehrt und zurück. Die erste vermutete Fehlerquelle erwies sich als falscher Ansatz, ebenso die zweite. Doch just in diesem Augenblick ging das Licht doch noch auf. Ganz bescheiden auf der nunmehr linken Seite der Fahrbahn war das Gräberfeld, gänzlich ohne Beschriftung oder ähnlichem Hinweis. Das wiederum jedoch zurecht. Das Gräberfeld ist zwar aus Sicht eines Historikers oder Archäologen durchaus wertvoll, doch für den gemeinen Touristen erinnert es eher an das Bergsturzgebiet bei Goldau. Immerhin ist ohne Mühe und von blossem Auge ein Steinhaufen und ein Richterring zu erkennen, ansonsten sind es vor allem einige Steine und viel hohe Wiese. Und Ameisen, rote um genau zu sein, die sich fürchterlich und auf ähnliche Weise rächen, wenn man gerade seine Blase entleeren will.
Zurück also in die moderne Zivilisation und eine Stadt. Der Weg nach Örebro ist von Kumla nicht weit und über die Autobahn (110 km/h!) zu erreichen. Die dänischen Autofahrer scheren sich einen Deut um diese Beschränkung und denken wohl, dänen zeigen wir’s und rasen mit leicht erhöhter Geschwindigkeit ihren Zielen entgegen. In der Stadt ist der Verkehr wieder dichter, etwa so dicht, wie in der Schweiz in einer Kleinstadt zur Stosszeit. Freie Parkplätze gibt es hier en masse, daher wählte man das Parkhaus – so von wegen Schatten und so. Sogleich stellte sich jedoch wieder das bekannte Münzproblem, wenngleich diesmal nicht wegen Blasenentleerungsstellen – dieses Problem war gelöst. Nun verspürte man einfach ein unangenehmes Jucken am Fuss. Fünf Kronen reichten für einen 14-minütigen Aufenthalt im Parkhaus und leiteten ein sogenanntes Speedknipsen um das Schloss ein.
Das hektische Stadtleben liess man bald wieder hinter sich, denn in Glanshammar resp. in der Nähe dieses Orts steht mit Nastasten ein weiterer bedeutender Runenstein. Die erste Abzweigung, die das Gerät vorgab, verdattelte ich jedoch, weil ich gerade noch einen Blick in den Reiseführer warf, und der zweite Weg führte über einen kleine Zusatzschlaufe. Den zweiten Fehler beging man im Ort selber, wo man sich nur noch daran erinnerte, dass die Schweizer Frauennationalmannschaft am vergangenen Sonntag hier gespielt hatte und man das Resultat noch immer nicht weiss, nicht aber an den eigenen Hinweis, dass hier bei der Kirche ebenfalls Runensteine zu sehen sind.
Ich hatte nur noch den Nastasten im Kopf – koste es, was es wolle. Weil der Stein keinen Eintrag auf der Karte des Navigationssystems hatte, wie auch Nasta nicht, war man auf seine eigenen Fähigkeiten als Kartenleser angewiesen. Aber diese sind über die Jahre auch sehr gut entwickelt, und so sah man alsbald den Abzweiger nach Nasta. Einmal kurz links geblinkt und auf die Kiesstrasse eingebogen, anständig an einer breiten Stelle auf den entgegenkommenden Traktor gewartet und dann weiter im Staub. Nach rund zwei Kilometern durchbohrte mich jedoch der Halt-Stopp-Gedanke. Kein Schild, gar nichts, das auf den Stein hinwies. Enttäuscht, den Stein verpasst zu haben drehte ich um. Zurück an der Kreuzung nach links, den zuvor eingeschlagenen Weg fortsetzen. Doch nach nur rund 20 Metern fielen mir schier die Augen aus dem Kopf. Am linken Strassenrand, unmittelbar, direkt, gleich daneben, stand der Nastasten. Wieder ein sauberer U-Turn – man hat ja bereits eine gewisse Routine – und zurück zur Kreuzung. Diesmal jedoch nicht um abzubiegen, sondern um zu parken. Das Objekt der Begierde konnte doch noch festgehalten werden.
Dass ich dann auch bei der zweiten Durchfahrt durch Glanshammar nicht an die anderen Steine dachte, ist bei soviel Aufregung wohl verständlich. Dafür näherte sich die Füllmenge des Tanks dem Nullpunkt, wenn auch nur sehr langsam. Dennoch nutzte man die Tankstelle, um dies wieder zu korrigieren. Im ersten Anlauf scheiterte man beim Versuch, zuerst zu tanken, dann zu zahlen. Und im zweiten (erfolgreichen) Versuch, musste man konstatieren, dass bei 390 Kronen Schluss ist. Offenbar ist der schwedische Preem-Tankwart vorsichtig mit dem ausländischen Kreditkarten. Jänu. Die Benzinmenge reicht für weitere Abenteuer, doch erst war einmal Abend teuer angesagt. Hotel und Abendessen in Eskilstuna.
Der erste Anblick des gewählten Hotels behagte nicht, vor allem weil man den Eingang nicht auf an Anhieb fand. Also wählte man das Luxushotel in Sundbyholm, wo auch die berühmte Sigurd-Ristning sich befindet. Das Navi nahm jedoch grosse Rücksicht auf die laufenden Reisekosten und fand das Hotel draussen nicht auf an Anhieb, sondern schickte mich zu eben jenem historisch wertvollen Überbleibsel. Zwar von der Abendsonne hinter den Baumwipfeln nicht mehr beleuchtet, fiel das festhalten dieser Felszeichnung nicht ganz einfach. Sie passte trotz Weitwinkel nicht auf ein Bild, der wenn, dann einfach nur grauer Fels zu sehen. Gleichwohl sollte sich der Entscheid, die Sigurd-Ristning am Abend zu besichtigen als sehr, sehr weise herausstellen. Schliesslich kehrte man doch wieder ins City Hotell zurück, vergnügte sich an einem Texas Bluesburger im Restaurant daneben.
Dazwischen unternahm man den obligaten Stadtspaziergang, konstatierte, dass auch in Eskilstuna die Läden in der Einkaufsstrasse vor Sonnenuntergang schliessen und dass auch dies wohl keine Partystadt ist. Ein paar Junge und Junggebliebene drehten in aufgemotzten, teils dachfreien amerikanischen Karossen ihre runden durch die Strassen. Es bleibt festzuhalten, dass die Altstadt noch nicht so alt ist und die Fors Kyrka weit und breit keinen Wasserfall in der Nähe hat.
Songs des Tages:
- Mani Matter „Dr Alpeflug“, weil mir das Benzin nicht ausgegangen ist, aber ich auch nicht voll tanken konnte.
- Musical Youth „Pass The Dutchie“, weil ich die Holländer irgendwie zurücklassen konnte.
- Kent „Livrädd med Stil“, nicht weil ich Stil-o fahre, sondern weil die Band aus Eskilstuna stammt, und dies der einzige Kent-Song des Tages war.
©2007 – Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
Saschas und Marcos Jubiläumsreise. Schreib uns:
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