Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.
Vom König und dem Espresso
Donnerstag, 21. Juni 2007: Jetzt hat er mich scheinbar doch endgültig erreicht, der Regen. Aus diesem sehr feuchten und weniger fröhlichen Grund war ich stolz auf die gestrige Blitzaktion mit der Felsenzeichnung. Weniger stolz war man auf die senile Bettflucht, von der man spätestens und wohl mit Bestimmtheit angesteckt worden war. Schon um 7 Uhr drängte mich der Organismus aus den Federn, was man als reichlich unorganisiert empfand. Die in Relation zum schlechten Wetter zu reichlich zur Verfügung stehende Zeit nutzte man zum ausgiebigen Frühstück, wo man die Wetterprognosen im Svenska Dagbladet derart ausgiebig studierte, dass der Zeitung beinahe die Farbe abhanden gekommen wäre. Nur machte dies die dunklen Wolken draussen auch nicht heller. Der Verzicht auf eine weitere Fotosession mit Eskilstuna war rasch beschlossene Sache; jedenfalls deutlich schneller als die Abfahrt die wegen Nässe herausgezögert wurde. So etwas kennt man sonst nur von Skirennen, die ja auch nur noch mit Verschiebung und ohne öffentliche Wahrnehmung dafür vielen TV-Zuschauern durchgeführt werden.
Wer landläufig der Meinung ist, dass der Schwede ein verschwiegener Zeitgenosse ist, wird schnell eines besseren belehrt Im besonderen am Morgen. Im Fernsehen und am Radio wird nonstop geplaudert, dass einem beinahe die Ohren abfallen. Über welche Themen dabei gesprochen wird, ist dabei völlig irrelevant. Am Morgen hat der Schwede und insbesondere die Schwedin zu allem und jedem eine Meinung, die gerne ausschweifend und minutenlang am Telefon kundgetan wird. Erste Station der verkürzten Etappe – man hielt es ganz mit der Tour de Suisse, die heute ebenfalls wegen schlechtem Wetter nicht das ganze Spektakel absolvieren konnte – war das Schloss Gripsholm. Menschen mit viel Grips ist dieses natürlich wegen des gleichnamigen Romans von Kurt Tucholsky ein Begriff. Und auch allen Deutschen, für die der Autor so eine Art Nationalheld ist, denn bekanntlich gilt der Prophet erst etwas, wenn er ausserhalb des Landes ist. Oder auch nicht. In jedem Fall schleppen Cars täglich und stündlich Dutzende deutsche Touristen an und diese fallen dann wellenartig über das Schloss auf der einer Halbinsel bei Mariefred her. Die zwei doch eher bedeutenden Runensteine werden im ersten Moment links (am Wegrand) liegengelassen oder zumindest kaum beachtet. Einem Ostdeutschen – nicht der mit dem Fernglas, sondern einer mit moderner Kamera – fiel vor lauter Begeisterung ob des Anblicks beinahe der Fotoapparat aus den Händen. Knapp vor dem Fall gerettet, wäre im ersten Moment beinahe ein Selbstporträt statt eines schönen Schlossbilds entstanden. Während schon der nächste Car auf den international belegten Parkplatz einbog (finnische, österreichische, mehrere deutsche und gar italienische Kennzeichen wurden gesichtet), rauschte der Fiat mit Schweizer Nummer wieder davon. 50 km später – und nunmehr auf der Strasse reichlich urban – bog ich auf den nächsten Touristen- Parkplatz ein. Drottningholm. Das Zuhause der königlichen Familie einige Kilometer ausserhalb von Stockholm. Dass man in Schwedens grösster Stadt oder zumindest in deren Nähe gekommen war, hatte man dank dem doch stärker aufkommenden Verkehr, der einem schon wieder an südlichere Gefilde erinnerte (nicht soooo südlich, es war alles noch sehr geordnet!), entnommen. Der Parkplatz war erstaunlich dünn besetzt, gilt doch Drottningholm unter Schweden-Touristen als ein absolutes Muss und ist in jedem dicken Reiseführer sehr dick unterstrichen. Erstaunlicherweise erlebte ich meine Premiere – elf Jahre nach meinem ersten Besuch in Schweden notabene – erstaunlich deutschfrei. Vielmehr wimmelte es von Leuten aus Ländern, die mit Monarchien und sonstigen Ein-Personen- Herrschaften besser vertraut sind als wir Mitteleuropäer. Die vielen Kopftücher waren jedenfalls nicht als Schutz gegen den durchaus drohenden Regen gedacht, und das „Ch“ wurde neben vielen „R“ und „L“ noch mit viel mehr Enthusiasmus ausgesprochen, als es jeder Schweizer Bergbauer tun könnte.
Die sehr grosszügige Schlossanlage mit immensem Park, in dem man sich glatt verirren könnte, ist der Beweis, dass der König mindestens einmal sehr viel Geld gehabt haben muss. Und offenbar nicht mehr so hat. Anders ist kaum zu erklären, wieso eine Besichtigung der Gemächer 70 Kronen kosten sollte. Auf der anderen Seite zeigt man auch nicht gerne seine privaten Räume und Zimmer. Es würde mich allerdings schon wundernehmen, ob denn bei den Töchtern auch irgendwelche Brad-Pitt- oder George-Clooney-Poster an den königlichen Tapeten hängen. Nun war ich aber nicht im Innern des Gebäudes und habe so auch den König mitsamt Anhang etwas überraschend nicht getroffen. Aber wie angetönt unterwarf man sich nicht dem prohibitiven Obolus, sondern wählte die quasi M-Budget-Variante der Aussenbesichtigung – wie auch die arabisch sprechenden Freunde eben. Der Deutsche bestaunte derweil wohl dann doch die diversen Interieurs.
Ein Wort sei ĂĽber den schwedischen Autofahrer doch noch verloren. Er hat sehr grosse Ă„hnlichkeit mit dem Schweizer! Auf einer dreispurigen Autobahn scheint der rechte Fahrstreifen eine verbotene Zone darzustellen, auf der nur Loser, langsame und langsamste Vehikel sich austoben dĂĽrfen. Einleuchtend ist dies zwar nicht, aber schliesslich behauptete auch niemand, dass Autofahren intelligent mache.
Blieb also noch Sigtuna als letztes touristisches Ziel des Tages. Ein Runenstein und eine Kirchenruine sowie die schmucke Altstadt mit den niedrigen (oder gedrungen, wie ein Reiseführer diese einstöckigen Bauwerke beschreibt) Holzhäusern. Der trübe Himmel, der eben wieder gefeuchtelt hatte, färbte auf die Eindrücke des netten Strässchens leider ab. Ohne grosses Aufheben verliess man aus diesem Grund Sigtuna und nahm die letzten Kilometer nach Uppsala unter die Räder. Hier erwartete mich Marco mit einem feinen Espresso – etwas, was man seit Beginn der Reise nicht mehr genossen hatte. Manchmal braucht der Mensch wenig, um ein bisschen glücklich zu sein.
Songs des Tages:
- S-Connection „Sommerlove“, weil Sommerferien sind.
- Beck „Loser“ für alle auf dem rechten Fahrstreifen und auch, weil es ein geiler Song ist.
- Average White Band „Play That Funky Music“, weil man dies auch den Mainstream-Radiostationen in der Stockholmer Umgebung wünscht.
©2007 – Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
Saschas und Marcos Jubiläumsreise. Schreib uns:
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