Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.

Tag der Geniestreiche

Donnerstag, 12. Juli 2007: Bevor wir allzu viel zum heutigen Tag sagen, soll unsere Übernachtungsmöglichkeit – die letzte in Norwegen notabene und der erste Geniestreich des Tages – noch einmal etwas genauer beleuchtet werden. Der gerissene Telemark-Bauer muss nämlich seiner ursprünglichen Tätigkeit offensichtlich nicht mehr nachgehen – entsprechendes Instrumentarium fehlte auf dem Kolgard-Hof in Gänze resp. ganz. Vielmehr war der gute Gutsbesitzer gerade mit dem Bau eines Swimming-Pools beschäftigt. Dass er uns für die 450 norwegischen Kronen Übernachtungsgebühr in der gemütlichen Hütte, die sogar mit Fernseher, aber ohne wirklich guten Empfang, ausgerüstet war, keine Quittung ausstellte, deutet darauf hin, dass er die eine oder andere Einnahme auch einmal am norwegischen Steuergeldkassier vorbeischleust. Gut, ist der norwegische Staat nicht kurz vor dem Verarmen. Und unser wackerer Bauer wie gesagt ebenfalls nicht, denn er leistet sich auch Hilfsarbeiter, die im Auto mit polnischen Kennzeichen vorfahren. Und die freundliche Putzfrau am Morgen wies denn auch daraufhin, dass sich ihre norwegische Kenntnisse in ähnlichem Ausmass bewegen wie meine Bewandtnis mit der polnischen Sprache. Aber vielleicht war sie ja auch die Geliebte oder etwas Ähnliches in der Art. In jedem Fall erinnerte uns der Kolgard-Nicht-Bauer sehr an die Figur, die von Lennart Jähkel in „Jägarna“ gespielt wird. Wer den Film nicht kennt, sei wie immer an www.imdb.com verwiesen.

Nachdem uns der Abend freundlich und mit scheinbar angedeuteten Aufhellungen verabschiedet hatte, empfing uns der Morgen mit Schauern, heftigem Regen und anderem Nass von oben. Höchste Eisenbahn das Hochpreisland also Richtung Billig-Oase Schweden zu verlassen. Wir taten dies über die Autobahn, wo man immerhin 90 km/h fahren durfte, über eine letzte Fähre, die erstaunlich günstig war (114 NOK) und im Drei-Schicht-Betrieb arbeitete, und abermals über eine Autobahn, die gar 100 km/h an Raserei zuliess. Und zum Schluss passierten wir noch die Svinesund-Grenzbrücke, die neu gebaut und deshalb mautpflichtig war. Im Vorfeld schlossen wir Wetten ab, wie viel uns der teure Norweger wohl abknöpfen werden. Marcos Tipp lag bei 70 Kronen, ich entschloss mich eigentlich wider besseren Wissens zum Discount-Gebot von 58 Kronen. 20 kostete uns der Spass tatsächlich. Aber immerhin blieb sich der Norsker wenigstens ansatzweise bis zur letzten Minute treu. Dafür lieferten wir einen sensationellen Boxenstopp in der Nicht-Murphy-Schlange und überholten so gefühlte 125 Holländer. Der zweite Geniestreich.

Der Schwede empfing uns dafür mit einem veritablen Stau, war daran aber nur bedingt selber schuld. Zwar steht völlig korrekt die Baustelle für die neu zu bauende Autobahn E6, doch Verursacherin war eine Dänen resp. ihr Auto, das offenbar an ungünstiger, weil enger, Stelle den Geist aufgab. Ordentlich verzweifelt – so unser Eindruck beim erlösenden Vorbeifahren nach rund halbstündiger Cunctiererei und Stotterei – war sie gerade am Telefon. Entweder erzählte sie ihrem Chef, dass sie es nicht rechtzeitig zur Besprechung schafft, ihrem Mann, dass sein Auto zu Schrott sei oder schlicht einem Pannendienst. Letzteres ist nicht auszuschliessen, da ihre verzweifelte Gestik auch daraufhindeuten könnte, dass sie versuchte, ihr Problem resp. die Geistesaufgabe ihres Autos zu beschreiben.

Endlich jedoch beim Schweden angekommen stürzten wir uns auf den Euro-Cash, den uns der Strömstader offerierte. Das heisst, so einfach war das denn auch wieder nicht, da er die Einfahrt ziemlich versteckt hatte, und wir gleich dreimal Anlauf nehmen mussten. 1,2 kg Fleisch, zwei Wegwerf-Grills und zwei Tafeln Schokoladen waren die wichtigsten Ingredienzien unseres Einkaufs. Das Fleisch wurde natürlich wieder ratzeputz weggehauen; doch schien der Grill diesmal der Aufgabe gleichwohl nicht ganz gewachsen. Er wurde unter Zuhilfenahme einiger Tropfen Anzündflüssigkeit zur Entwicklung einer derartigen Hitze genötigt, dass ihm der untere Teil gleich wegbrach oder –schmolz. Das Fleisch wurde trotzdem perfektestens gar. Der dritte und sechste Geniestreich.

Unser Tagesziel war die Hede von Tanum, wo Felszeichnungen sich auf die Liste der UNESCO des Kulturerbes gehievt haben. Die stehen aber erst morgen auf dem Programm, da wir uns hier gleich für Nächte einquartiert haben. Deshalb steht ein gemütlicher Abend mit natürlich Tischtennis bevor. Und dazu trinken wir dieses Schwachstrombier (2,8%), das wir dem Strömstader ebenfalls abgekauft haben – und zwar zu einem Spottpreis sondergleichen (der vierte Geniestreich). Der feingenaue Strichcode des Sechserpacks gab nämlich vor, nur eine Dose zu sein. Und ein solches Büchslein kostet 5.90 Kronen, dazu noch 50 Öre Pfand. Wir haben also nicht nur über 30 Kronen gespart, sondern reduzierten den effektiven Preis für einen halben Liter Bier auf knapp über 50 Öre, wenn wir die Büchsen ordentlich zurückpfanden. Das ist nach den norwegischen Bierpreisen mit zumeist über 50 Kronen für einen Liter [sic!] doch einigermassen erschwinglich.

Zwischen dem Konsum des billigen und schwachen Biers (nachher) und der Einnahme der üblichen Grilladen (vorher) gab es eine ordentliche Partie Minigolf. Weil nur neun Bahnen zur Verfügung standen, die letzte dazu noch mit dem üblichen Ballschlucker, wurden die ersten acht Bahnen zweimal absolviert, dazu eine dieser Pisten nach freier Wahl. Als 18. Loch schliesslich wurde dann die neunte Bahn noch gespielt. Das erstaunliche Ergebnis war ein Unentschieden mit einem Skore, das allerdings nicht zum masslosen Stolz verleiten lassen darf. Allerdings muss einschränkend eingeschränkt werden, dass die Bahnen auch nicht in turniertauglichem Zustand waren – gelinde gesagt.

Wie gesagt befinden wir uns beim Tanumsheder auf einem Zeltplatz resp. in einem Hüttendörfchen (der fünfte Geniestreich). Und da hat es Nachbarn. Zu meiner Rechten (und Marcos Linken) ein norwegisches Pärchen, durchaus sympathisch und mit zwei eher ruhigen Kindern, auf der anderen Seite (ich will den komplizierten Seich von vorhin nicht noch einmal widergeben) ein deutsches Pärchen, durchaus unsympathisch und mit wenig ruhigen Kindern. Während der ältere des norwegischen Nachwuchs mit einem Stoffvogel an einer langen Schnur durch die Gegend rennt und darauf wartet, dass dieser abhebt (irgendwie kommt mir dabei ein Monty-Python-Sketch in Erinnerung), wirft der jüngere ein durchaus flugtaugliches Pappflugzeug regelmässig ins Gebüsch. Die Mutter resp. im Notfall der Vater, der auch fussballerische Qualitäten an Tag gelegt hatte, fischten mit einem Schmetterlingsnetz das Objekt wieder aus den Stauden.

Die Deutschen sollten eigentlich gar nicht hier sein. Die eher spartanischen Hütten entsprachen nämlich nicht dem Gusto aller Mitreisenden und die Mutter war sichtlich genervt, dass ihre Sprösslinge sich offenbar gehoberen Komfort gewünscht hätten. Hallo, Erziehung! Aber typisch deutsch beruhigten sich dann die Gemüter beim Lesen eines Buchs. Der Deutsche ist eben auch ein Individualleser.

So können wir zum Abschluss noch einige abschliessende Bemerkungen von uns geben. Der billigste Benzingnorweger verlangte für seinen „Moscht“ 11.13 Kronen, wir füllten den Stilo einmal für stolze 12.76 der Liter. In Schweden geht’s übrigens zumeist unter 12 Kronen, obwohl die schwedische Krone weniger wert hat als die des westlichen Nachbarn. Was das Geld betrifft, nur was das Geld betrifft. Und dann soll die Liste der Bewohner noch fortgeführt werden, deren Diskussion wir ja schon angeregt hatten. In der Hauptstadt wäre demnach der Osloser zuhause, wenn es schon der Bergenser heisst; der Bewohner von Bö ist der Ahnungslose und in Drammen wohnt entweder der Dramatiker oder der Schlagzeuger alternativ Perkussionist. Habe fertig.

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