Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.

Vom Geschäftemachen mit dem Geschäft machen

Freitag, 6. Juli 2007: Norwegen. Schön. Teuer. So kann man das Land in ganz kurzen Worten, ja Satzfragmenten quasi, zusammenfassen. Doch es wird dem nicht gerecht. So zum Beispiel entschädigte uns eine Bootsfahrt am Abend durch den Geirangerfjord für jede hergegebene Öre. Doch bis es zu diesem letzten Höhepunkt des Tages – also aus touristischer Hinsicht, da ja Kaffee, Whisky und Grappa noch nicht entscheidend angerührt worden sind – kam, dauerte es einige Zeit. In dieser philosophierten wir wie immer über Gott, die Welt, viel Fil, wenig Phil und die Wohnmobilinvasion.

Weil wir uns ja wieder dem gemeinen Touristenstrom näherten, mehrten sich in gleichem Masse auch die durch das Land reisenden Nicht-Norweger. In Deutschland scheint die Wohnmobilseuche ausgebrochen zu sein. Der Schwarm der fahr- und bewohnbaren Untersätze ist eine ähnliche Plage wie die Mücken in Lappland. Sie treten in grossen Massen auf und werden mit der Zeit ziemlich mühsam. Was sich auf dem sympathischen Zeltplatz in Bjölstad andeutete, akzentuierte sich im Massentouristenort Geiranger, der ausser Landschaft und zahlreichen Herbergen und Unterkunftsmöglichkeiten eigentlich nichts zu bieten hat.

Auf dem Zeltplatz in Geiranger, der sich zum grossen Teil in eine deutsche Kolonie von Wohnmobilbenutzern verwandelt, holt einem die Realität aufs extremste wieder ein. Der Deutsche fühlt sich ja in Norwegen ohnehin seit den 40er Jahren etwas mehr zuhause als auch schon und führt sich dementsprechend oft auf. Nämlich wie zuhause. Man spricht deutsch. Und zwar laut. Einer führt die Unterhaltung, die anderen lachen – warum weiss eigentlich niemand. Man bespricht Hunderte von Mil von zuhause entfernt wichtige und wichtigste Sachen. Ein älterer Mann, der zu den Unterhaltungsführer zählt, berichtete der Zeltplatzbekanntschaft, wie er seine alten Videokassetten, die er vermutlich jedem vorführt, der nicht rechtzeitig flüchten kann, nun auf DVD überspielte. Und eine Frau berichtete von ihren Sorgen um die Spülmaschine und eine 200-Euro-Reperatur oder die 500-Euro-Renovation. Happy holiday.

Fast noch auffallender als die Vielzahl unseres nördlichen und stets so sprachgewandten Nachbars, ist jedoch die Präsenz der Mitbürger, die lange Zeit hinter einem eisernen Vorhang ihr Dasein gefristet hatten. Offenbar sind da einige doch ziemlich schnell zu ziemlich sehr viel Geld gekommen, denn wie schon gesagt: Ein Billigland ist Norwegen nicht im engeren Sinn. So führten am Abend gleich zwei junge Russen (also einer war sicher Russe, der andere sprach einfach östisch) ihre Freundinnen im Boot auf den Fjord. Einer mit Motor, der andere mit dem Ruder. Sympathieträger sind sie nicht alle, gut riechend auch nicht.

Doch zurück zu unserer Reise, die uns eben doch immer wieder weg von den breiten Touristenströmen führt, weil wir ein bisschen mehr wissen, als im allgemeinen deutschen Wohnmobil- und Wohnwagenführer nachzulesen ist. So zum Beispiel die Stabkirche von Rödven, wo nicht nur Stäbe zu bestaunen sind, sondern auch die Ureinwohner ihre Spuren in der Wikingerkirche hinterlassen haben. In Runen, was heute kaum noch einer versteht, aber dafür ist ja der darin extrum ausgebildete Marco mit an Bord.

Der gemeine Mittelalternorweger – und jetzt spricht, zumindest (und ausschliesslich) für diesen Abschnitt der extrume Runenexperte – war ja in keiner Weise sakraler als der moderne gemeine Atheist; er ging in die Kirche weil er musste, und wenn er da war, wäre er doch vielleicht lieber wo anders gewesen, vielleicht gemütlich in seiner Hütte am inneren Ende des Fjord gehockt, einen Stumpen geraucht, ein kaltes Calanda getrunken und den Elchen nachgeschaut. Aber da er nun mal in der Kirche hockte und ihm die Malereien an den Wänden langsam auf den Sack gingen, hat er sich halt anderen Geschäften zugewandt. Und wie der geneigte Leser dieses Blogs weiss, gehören Geschäfte zu den Kardinaltugenden des Homo Norvagicus. Er hat also sein Messer ausgepackt und dieses an den in der Stabkirche üblicherweise im Überfluss vorhandenen Hölzern seinem Zweck zugeführt. Und geritzt und geritzt hat er. Runenzeichen und andere Kritzeleien, Kreise und Tierköpfe und dergleichen mehr. Und jetzt, so vielleicht ungefähr sechshundert Jahre später kommt der Tourist und bekommt von der Frau, die den ganzen Tag am Eingang der Kirche sitzt und den Touristen 35 Kronen für den Eintritt in das hölzerne Gotteshaus abknöpft, auf Anfrage ein Brett in die Hand gedrückt mit ebendiesen Kritzeleien. Da staunte der Laie, in diesem Fall Sascha, und der Fachmann wunderte sich, dass man dieses Preziosum einfach irgendwo an eine Wand gestellt hat und es jedem dahingelaufenen Stolperi zur Untersuchung überlässt.

Dieser Abstecher dauerte zweimal 10 km und rund eine halbe Stunde Runen abmöggelen. Nicht berücksichtigt wurde dagegen das berühmte (öhm, na ja) Konfektsjonmuseum (oder wie man das auch immer wieder schreibt). Wir stellten uns jedoch eine höchst interessante Ausstellung mit einem Kleid in der Grösse 46 und ein anderes in der Grösse 44 vor. Vielleicht noch eine Bluse in der Grösse 38. Vielmehr lockte uns die gängige Touristenattraktion Trollstigen, eine beeindruckende Passstrasse, die auf der Hälfte einen imposanten Wasserfall überquert. Allzu viel kann man dabei nicht falsch machen. Auch wenn man die Region derart von Vorwissen unbelastet durchfährt wie Externe Transpiratoren resp. Ausser Schwitzer. Auf jedem zur Verfügung stehenden Parkplatz kurz anhalten und knipsen. Dazu sei auch noch bemerkt, dass das ewige Plätschern der Wasserfälle mit einer vollen Blase schlecht korrespondiert. Mehr dazu später.

Und wenn der Norweger eine zementierte Plattform hinstellt, dann kann durchaus davon ausgegangen werden, dass von dieser eine schöne Aussicht zu geniessen ist. Positiv sein hierbei festgehalten, dass der Blick (noch?) gratis genossen und gefötelt werden darf. Zweifel, ob dieser Fakt noch lange gilt, sind jedoch angebracht. Der Norweger baut ein neues Zentrum, das auf den Zeichnungen verdächtig so aussieht, dass man dem Touristen wieder einige Öre mehr aus dem Täschchen ziehen kann. Und apropos gratis, das gibt’s gleich im Doppelpack. Nur wenige Kilometer später auf der Aussichtsstelle über den Geirangerfjord ebenfalls kostenlos, trotz neu erstellter Plattform. Geschäftstüchtig ist dafür entlang des Weges der junge Norweger; der an jeder Strassenecke Erdbeeren anbietet. Und taktisch geschickt, verkaufen einige ihre roten Früchte an den Wartestellen der Autofähren. Und die Wartezeit überdauert für gewöhnlich die durchschnittliche Essdauer für ein Körbchen.

Nun sei aber noch ein ganz anderes wichtiges Kapitel aus dem täglichen Leben erwähnt. Es geht ums tägliche Geschäft und die stündliche Kontrolle der Restwassermenge. Dies muss auf einer solchen diffizilen Reise selbst in einem so zivilisierten Land wie Norwegen feinsäuberlichst geplant und überlegt werden. Während das Lösen des flüssigen Überdrucks bei Männern zumindest auch mit einem Free Pissing in der rauen Wildnis geregelt werden kann, dürfte dies beim weiblichen Geschlecht schon schwieriger sein. Direkte empirische Werte stehen uns derzeit gerade nicht zur Verfügung. Dafür kann der Fleischfresser (ja,. Wir haben auch heute wieder Hektogramm Fleisch vom Grill verschlungen!) von seinen Problemen mit Sitzungsterminen berichten.

Wie schon erwähnt ist der Norweger äusserst geschäftstüchtig und in dieser Eigenschaft knöpft er einem auch für andere Geschäfte gerne die eine oder andere Krone ab. Doch für blosses Urinieren gleich 10 Kronen zu verlangen, wie dies bei der Aussichtsstelle beim Trollstigen geschieht, ist dann doch leicht überrissen und überforderte die konservativen Berechnungen des Schreibenden, der sich einen norwegischen Fünfliber in den Hosensack gesteckt hatte – eigentlich nur prophylaktisch. Der junge Mann, der per Schalter die WC-Türe gegen eben dieses Entgelt öffnete und nicht rein skandinavischer Provenienz schien, was aber überhaupt nichts zur Sache tut, war dann aber doch mit der halben Miete zufrieden. Auch hier gilt eben die Geschäftstüchtigkeit nach dem Motto: Lieber den Fünfer in der Hand, als die Pisse an der Wand.

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