Der Blog von unserer Ferienreise vom Norden, resp. etwas südlicher davon, in den Norden, resp. in den Westen.
Von Elchen, Walen und anderen Viechern
Samstag, 30. Juni 2007: Bevor ich von der Viel-Phil-Filosophie erzählte, soll auch einmal gesagt werden, was auf unserer klar als „Keine Abenteuerreise“ deklarierten Skandinavien-Rundfahrt alles nicht passiert. So zum Beispiel verzichteten wir heute explizit auf einen Gang durch ein von der Sonne erleuchtetes, knallgelbes Rapsfeld, um einem Elch das Geweih zu schütteln. Oder ihn gar mitzunehmen und ihn später auf einem dieser sehr praktischen und noch viel beliebteren Einmalgrills zuzubereiten. Das wäre auch strafbar, da die Jagdsaison noch lange nicht begonnen hat. Das Unterfangen wäre jedoch bei unserem aktuellen Standort auf dem Lofot natürlich bereits am fehlenden Rapsfeld gescheitert.
Möglich wäre demnach ein Ausflug mit Whale-Watching gewesen. Ein Unternehmen gibt schliesslich eine Garantie für Walsichtung. Wir fuhren aber nicht nicht in dieses Nest, wo diese Fischerboote mit unendlich fotogeilen und wenig hungrigen Touristen ablegen. Wir tuckerten nicht auf die unruhige See, was uns Seebären natürlich nichts ausgemacht hätte. Wir sichteten auch keine dieser riesigen Säugetieren, und vor allem waren nicht am Fang eines solchen beteiligt. Entsprechend steigen wir auch nicht ins Walgeschäft ein, weil das Fleisch ohnehin nur mässig geniessbar ist und der Handel mit Lebertran aus einem einzigen Tier doch zu wenig erträglich scheint.
So also nutzten wir den nun strahlend blauen Himmel zu einer Rundfahrt mit dem Auto auf den Lofoten-Inseln. Und das ist lohnenswert. Die Landschaft zu beschreiben fällt nicht leicht. Ist eigentlich unmöglich. Schroffe Felsen, die hoch in die Höhe ragen, wechseln sich mit Magerwiesen, die von glücklichen Schafen und Ziegen begrast werden ab. Dazwischen weite Felder mit den farbigsten Blumen (eine Farbe pro Sorte, aber verschiedene Sorten; damit keine Missverständnisse aufkommen). Und auch Berge in der Form einer überdimensionierten Toblerone, oft grün bewachsen. Und immer wieder Meer oder kleinere Seen, an diesem Tag wie aus dem Prospekt in ein tiefes Blau getaucht. Und Wind, ja auch Wind.
Auffallend sind auch die Ortsnamen, die hier vergeben werden. Offenbar herrschte früher grosse Armut, weshalb aus Kostengründen möglichst kurze Ortsnamen gewählt wurden. Die Hitparade führt ganz klar Å ganz im Süden der Inselgruppe an. Unser Zeltplatz liegt in Hov, was jedoch noch längst nicht für den zweiten Platz ausreicht. Dieser geht fraglos an Bø; hierbei ist jedoch nicht restlos geklärt, ob die Bewohner einfach ahnungslos waren, als sie gefragt wurden, wie ihr Dorf denn heisse und sie schlicht schulterzuckend antworteten: „Bø?“.
Die Strassen oder Kieswege – was nicht selten der Fall ist abseits der Hauptroute – sind problemlos befahrbar. Dabei herrscht reger Verkehr. Dem Deutschen und seinem Wohnmobil ist die Gegend offenbar auch bestens bekannt. Und während unser Zeltplatz – trotz 9-Loch-Golfplatz gleich nebenan – noch immer ein Geheimtipp zu sein scheint, wohin sich primär der Norweger am Wochenende in seinen fest stationierten Wohnwagen verirrt, muss der Weiler Eggum in jedem Wohnmobil-führer Mitteleuropas stehen. Anders ist die Ansammlung dieser bewohnbaren Gefährte daselbst kaum zu erklären. Zwar wird die Stelle im norwegischen Autoatlas als Sehenswürdigkeit taxiert, der Fakt ist jedoch umstritten.
Grossartig wird eine Skulpturenlandschaft angekündigt, der geneigte Kulturkenner entdeckt jedoch höchstens zwei Kunstwerke, wovon auch nur eines diesen Namen tatsächlich verdient. Ein abstrahierter Kopf auf einer Säule – dazu nicht einmal einheimisches Schaffen, das da gepreist wird. Es handelt sich um ein Werk des Schweizers Markus Raez (oder so). Dass man jedoch dahin darf, auch zum grossen Wohnmobiltreffen, sind 10 Kronen zu entrichten. Und freundlicherweise verwandelt sich die Strasse nach der (halbwegs freiwilligen) Zahlstelle in einen kaum befahrbaren Schotterweg. Als Mittagsrastplätzen, windgeschützt hinter einem grossen Stein, diente die mit Steinen und einer Skulptur durchsetzte Schafweide aber allemal.
Apropos schönes Plätzen. An diesem Sitze ich jetzt, um 22.55 Uhr, und schreibe also wieder einmal ein paar Zeilen. Unterhalb des Zeltplatzes befindet sich, wie schon gestern angetönt, ein herrlicher Sandstrand, der sich heute bei diesem wunderbaren blauen Himmel und in der Mitternachtssonne, die sich langsam über den Horizont senkt (aber nicht darunter!) als kleines Paradies entpuppt. Schon das Frühstück wurde an diesem lauschigen Plätzchen eingenommen – einen besseren Start in den Tag hätte es nicht geben können.
Und da wir schon beim Thema sind. Start in den Tag. Es sei hier Marco und vor allem sein Benzinkocher und die Espressomaschine hochgelobt, gepriesen und über alle Masse hochgejubelt. Erstens ist der Kaffee, der einem vom Skandinavier in aller Regel serviert wird, nicht gerade aller oberste Geschmacksklasse, und zweitens ist ein frosch gebrühter Kaffee in allen Lagen wie eine gut schmecken Medizin. Letzteres ist zwar scheinbar unmöglich, doch sei mir der Ausdruck an dieser Stelle erlaubt. Danke.
Und geniessen wollen wir auch diesen Abend, der der letzte gemeinsame dieser Ferien mit Ylva ist. Ihre Abreise wird uns morgen in aller Herrgottsfrühe aus den Federn bewegen, da sie um 8.30 Uhr ein Hurtigbåt nach Narvik besteigen will. Dass heisst, besteigen will sie es vorher, da auf diesen Zeitpunkt per Fahrplan die Abfahrt definiert wurde. Unsere Reise wird uns auch mit einer Fähre nach Skutvik führen und dann wohl nach Rognan. Doch natürlich gilt weiterhin die Flexibilitäts-Doktrin. Dieser folgend muss auch der für heute geplant Beitrag über die Phil-Viel-Filosophie entfallen, da der Bericht ohne schon wieder zu lange scheint.
Nur noch soviel. Die Sonne scheint ins Gesicht, dass ich die Buchstaben auf dem Bildschrim kaum lesen kann, neben mir ein Glas mit Cabernet-Sauvignon, der Lagavulin-Whisky, dessen rauchiger Geschmack sich in dieser herben mgebung noch aromatischer ausnimmt, stets in Griffweite und jetzt gerade die Bialetti-Kaffee-Maschine (falls der Hersteller dies lies und uns eine Gratis-Maschine offeriert; wir würden Bialetti jeden Tag erwähnen, da wir die Maschine auch jeden Tag mehrfach brauchen) wieder in Betrieb. Das Leben hat auch schöne Seiten.
Songs des Tages:
- Jovanotti „Piove“, weil es ein geiles Lied ist.
- Jovanotti „Piove“, weil der Song uns den ganzen Tag nachgelaufen ist.
- Jovanotti „Piove“, weil er eigentlich überhaupt ganz und gar nicht zum sensationellen Wetter von heute passte.
- Jovanotti „Piove“, weil es der mit grossem Abstand aktuell coolste und lässigste Italo ist – wenn nicht gar aller Zeiten und Länder.
Songs des Tages:
- Distanz: 145,5 km
- Geschwindigkeit: 46 km/h
- Verbrauch: 6,3 l/100 km
- Fahrzeit: 3:11 h
©2007 – Alle Bilder und Texte Sascha und Marco
Saschas und Marcos Jubiläumsreise. Schreib uns:
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